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- CHRONIK EINES AUSNAHMEZUSTANDS

Residenz-Autor*innen bloggen – Tag für Tag neu. #alleswirdgut

    15. April 2020

    Nuno Maulide, Wien
    aufgezeichnet von Tanja Traxler


    Uni-Lehre ohne Tafel und Kreide?

    Als Professor für Organische Synthese an der Universität Wien, ist neben der Forschung die Lehre ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Im Gegensatz zu manchen meiner Kollegen liebe ich es, Vorlesungen zu halten! Allerdings muss ich zugeben, dass ich dabei immer etwas altmodisch war – doch durch die Corona-Krise hat sich das schlagartig verändert. Schon jetzt kann ich sagen: Nach dieser Krise werde ich ein anderer Lehrender sein, als ich zuvor gewesen bin.
    Tafel und Kreide waren immer die einzigen Hilfsmittel, die ich in meiner Vorlesung verwendet habe. Ich war bewusst immer dagegen, Skripten meiner Vorlesungen anzufertigen, ich wollte, dass alle Studierenden selbst mitschreiben und mitdenken. Als Mitte März klar wurde, dass wir nun keine Vorlesungen mehr im Hörsaal halten dürfen, habe ich mir eine Woche lang überlegt, wie ich den Umstieg auf Online-Lehre am besten schaffen kann. Bekannte auf Twitter waren mir dabei ebenso eine Hilfe wie einer meiner Doktoranden und EDV-Betreuer an der Universität Wien.
    Inzwischen habe ich mich an die Online-Lehre gewöhnt und ich muss sagen: So ruhige Studierende hatte ich noch nie. Kein Mucks ist zu hören, wenn ich am Touchscreen mit Smartpen Molekülstrukturen zeichne. Und zu meiner Überraschung habe ich festgestellt: Mit Smartpen schreibt es sich besser als mit Kreide. Wenn jemand eine Frage hat, sehe ich das im Chatverlauf, doch kein Klopfen in den Reihen stört meinen Vortrag. Trotzdem muss ich sagen: Der direkte Kontakt zu den Studierenden fehlt mir massiv. Und wenn einmal ein Server ausfällt, ist die Online-Lehre natürlich die reinste Katastrophe.
    Mir war immer schon bewusst, dass es etwas altmodisch ist, dass ich 2020 meine Vorlesungen halte, als wären wir noch in den 1970er Jahren. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass es die Corona-Krise gebraucht hat, damit ich mich von meiner traditionellen Vortragsweise verabschiede. Und während mein Blick bei meiner Vorlesung statt durch den Hörsaal über die Bildschirme im Home-Office kreist, ertappe ich mich dabei, mir mit einem Augenzwinkern die Frage zu stellen: Ist diese ganze Corona-Krise letztlich von Studierenden ausgeheckt worden, die mich endlich zu modernen Lehrmethoden zwingen wollten?

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    10. April 2020

    Nuno Maulide, Wien
    aufgezeichnet von Tanja Traxler


    Forschen in Zeiten der Corona-Krise

    Am Anfang dachte ich mir: Endlich viel mehr Zeit! Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Denn auch für einen Wissenschafter ist es im Home-Office viel schwieriger, die Zeit effektiv zu nutzen.
    Seit Freitag, dem 13. März, ist meine Forschungsgruppe nicht mehr im Labor an der Universität Wien tätig. Damit die Arbeit trotzdem weiterläuft, habe ich all meinen Mitarbeitern Aufgaben gegeben, die sie zuhause durchführen können. In den ersten zwei Wochen habe ich wahnsinnig viel korrigiert: einige Arbeiten, die ich schon seit Wochen korrigieren sollte, und viele neue, die seither dazukamen. Doch die Interaktion in der Gruppe hat sich sehr verändert. Wenn ich dieser Tage Seminare mit meinen Mitarbeitern und Kollegen abhalte, hat das ein ganz anderes Flair. Statt die Menschen persönlich zu treffen, sehe ich jetzt 25 kleine Video-Kästchen dicht gedrängt auf meinem Bildschirm.
    Für uns Forscher ist es natürlich gut, wenn wir einmal Zeit haben, um zu lesen und in Ruhe über unsere Forschung nachzudenken. Bisher muss ich aber sagen: So viel mehr habe ich noch nicht gelesen. Wenn ich über meine Forschung nachdenke, verspüre ich eine große Unruhe: Ich möchte etwas beitragen, damit wir schneller wieder aus dieser Krise herauskommen.
    Ein unmittelbarer Beitrag könnten Schutzmasken, Handschuhe oder Desinfektionsmittel sein. Forschungsorientierte Beiträge haben hingegen eine viel längere Vorlaufzeit. Wenn wir heute beginnen, Moleküle zu entwickeln, die gegen Covid-19 pharmazeutisch eingesetzt werden könnten, erreichen wir – wenn wir Glück haben – in ein paar Jahren das Ziel. Mehr Hoffnung machen mir Wirkstoffe, die wir bereits kennen. Wir untersuchen also, ob unter jenen Molekülen, zu denen meine Gruppe geforscht hat, eines dabei ist, das gegen Covid-19 eingesetzt werden könnte.
    Was ich als Forscher in der jetzigen Krise ermutigend finde, ist, dass die Politiker in den meisten Ländern jetzt auf wissenschaftlichen Fakten basierende Entscheidungen treffen. Ich hoffe, dass das auch nach der Corona-Pandemie so bleiben wird.

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    Buch von Nuno Maulide und Tanja Traxler

    Coverabbildung von ''

    Nuno Maulide Tanja Traxler - Die Chemie stimmt!

    Eine Reise durch die Welt der Moleküle

    Ist die Chemie besser als ihr Ruf? Sie ist die Schlüsseldisziplin, wenn es um die Lösung der großen Herausforderungen der Menschheit geht. In diesem Buch unternehmen der preisgekrönte Chemiker Nuno Maulide und die Physikerin Tanja Traxler eine packende Reise in die faszinierende Welt der Synthesen, Bindungen und Reaktionen. Unterhaltsam und lebensnah schildern die Autoren, wie Chemie unseren Alltag beeinflusst. Sie diskutieren chemische Lösungsansätze für globale Probleme wie Klimawandel, Ernährungssicherheit der wachsenden Weltbevölkerung und Müllproduktion. Denn was ist Chemie eigentlich? Es ist die Wissenschaft von uns selbst, der Natur und dem ganzen Universum.