Selbstgemachtes
Für alle jene Kinder und Kindeskinder, die sich – sei es aus Geldmangel, Geiz, Zeitmangel, Bequemlichkeit oder Vergesslichkeit – nicht in der Lage sehen, der Mutter bzw. Schwieger- oder Großmutter am Muttertag ein Geschenk zu überreichen, gibt es einen netten Ausweg. Ein Gedicht! Aber bitte ein selbst gemachtes! Wir leben schließlich in Zeiten, wo das Selbstgemachte, von der Marmelade über den Pullover bis zur Malerei auf Seidentüchern, in weit höherem Ansehen steht als gekaufte Produkte. Also bitte nicht einfach bei Tucholsky nachblättern und »Mutterns Hände« in Zierschrift zu Papier bringen. Selber reimen muss sein!
Erstens zeigt das der Mutter, dass sie ihr Kind zu einem »kreativen« Menschen erzogen hat, und da kann sie stolz drauf sein, und zweitens zeugt es auch von der Mühe, die sich der Schenker gemacht hat. Nicht einfach husch-husch-husch rein in den Haushaltswarenladen, um eine 72-Tassen-Filter-maschine ist er, und dann ruckzuck in das Blumengeschäft, um eine dreiköpfige Hortensie, nein, er hat sich, im Schweiße seiner grauen Zellen, extra fürs Mütterlein, poetische Gedanken gemacht!
Aber ich sehe schon ein, dass Reimen auch eine Sache des Handwerks und der Übung ist! Daher folgende diskrete Hinweise: Das Wort »Mutter«, und ohne dieses wird ja schwerlich auszukommen sein, reimt sich bloß auf: Butter, Futter und Kutter. »Kutter« taugt nur für Mütter, die früher zur See gefahren sind, und mit »Butter« und »Futter« lassen sich kaum würdige, dem Anlass entsprechende Verse schmieden. Etwa:
»Meiner lieben Mutter danke ich fürs Futter aus reiner Markenbutter«, entspricht nicht jedermutters Poesieverständnis.
Beachte daher:
Entweder »Mutter« nicht ans Zeilenende setzen, oder auf »Mütterlein« kommt auch der Anfänger bestens voran.
»... nur du allein«
»... Not und Pein«
»... auf ewig dankbar sein«
»... heute groß, früher klein«
»... nie einsam sein«
»... Liebe, gut und rein« und so weiter und so fort.
Auch »Mutterherz« bietet eine wunderbare Möglichkeit. Aber nein! Nicht »Nerz« und auch nicht »Scherz«. Und »Sterz« schon gar nicht. »Schmerz« natürlich! Weil der Muttertag je kein Fest voll ausgelassenem Frohsinn ist, sondern eine rührselige Sache, mit mütterlichen Opfertränen im Augenwinkel und kindlicher Reue Einsicht. Und nimmt man das Herz in der Mehrzahl, kann man auf »Herzen« gut »Kerzen« tun.
»Mütter, tief in euren Herzen, leuchten 1000 Opferkerzen!«
Gefällt Ihnen nicht? Na bitte, dann wird’s eben heuer wieder eine Hortensie.