In ihrem literarischen Debüt nähert sich Kathrin Röggla mit lakonischem Witz dem, was man gemeinhin Wirklichkeit nennt. Dabei ist sie nicht auf einen bemühten Kunstcharakter ihres Blickes aus, sondern nimmt, was ihr ins Auge fällt. Alles lässt sich erzählen, "wenn man an der richtigen Schnur zieht."
Kathrin Röggla probiert Situationen aus, arrangiert Großstadt-Szenarien, deren Vorläufigkeit sich auch der nicht entziehen kann, der meint, alle Fäden in der Hand zu halten.
Allem Vorgefertigten wird misstraut: linearen Lebenswegen ebenso wie verordneten Sätzen - sie reißen ab, werden durch Einschübe und schiefe Bilder zum Kippen gebracht. Trocken und unsentimental zieht die Autorin Bilanz über das Leben, das am Straßenrand steht und kurz mal winkt: "alles ist beruf. und dann ist feierabend, und dann wird gegessen, und so wird es gemacht: man führt die gabel ins hirn und sticht zu, jemand schreit auf, die erbsen kollern die straße entlang, bis sie zurück im stammhirn sind und kinder kriegen. dann ist nachmittag und man ist vierunddreißig."
Blüten des Bösen: wache und halbwache Alptraumbilder aus den dunklen Abgründen des Tagtäglichen.
Der Mensch ist des Menschen Wolf, davon erzählen nicht zuletzt die Märchen. Allerdings wissen sie die unzumutbare Wahrheit schonungsvoll zu verhüllen. Wie wäre es, fragt sich Julian Schutting, wollte man etwas von dem, was an Gräßlichkeiten, an lokalen Tragödien tagtäglich geschieht und in Bild und Ton zu den Kindern dringt, in Märchenform erzählen? Könnte dies die Wahrheit tragbarer, ertragbarer, wenn schon nicht erträglich machen?